Internationale Studie des Fraunhofer IAO untersucht Wahrnehmung von Nachhaltigkeit im Fahrzeuginnenraum
Wer die kommenden Konsumentengenerationen für sich gewinnen will, muss auch den Fahrzeuginnenraum im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft denken. Das Fraunhofer IAO hat im Rahmen des Projekts »futureFlexPro« eine internationale Studie mit einem design-orientierten Ansatz durchgeführt, um zielgruppenspezifischen Materialempfindungen zu untersuchen und Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Aspekte wie die Lebensdauer und Recyclingfähigkeit von Produkten gewinnen im Zuge der steigenden gesellschaftliche Relevanz von Nachhaltigkeit an Bedeutung und werden sich langfristig in deren Nachfrage widerspiegeln. Diesem Wandel muss sich auch die Fahrzeugindustrie stellen und den gesamten Entwicklungsprozess in Bezug auf Nachhaltigkeit über alternative Antriebssysteme und Karosserie hinaus weiterentwickeln. Das betrifft neben technologischen Systemen auch die Materialien und Ausstattungskomponenten im Innenraum eines Fahrzeugs. Hierzu zählen Aspekte wie beispielsweise der Einsatz qualitativ hochwertiger Materialien, langlebige und demontierbare Konstruktionen und die Wiederaufbereitung und Wiederverwendung von Fahrzeugkomponenten. Der Einsatz von austauschbaren, recyclingfähigen Elementen im Innenraum und Materialien aus nachwachsenden oder recycelten Rohstoffen, die der Wertschöpfungskette wieder zugefügt werden können, leistet nicht nur einen Beitrag für den Ressourcen- und Klimaschutz, sondern erfüllt die Bedürfnisse der zukünftigen Zielgruppen der Automobilindustrie. Um herauszufinden, wie verschiedene Materialien tatsächlich auf Personen wirken bzw. wirken sollen und was mit Nachhaltigkeit im Fahrzeuginnenraum konkret verbunden wird, hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO im Rahmen des Projekts »futureFlexPro« eine internationale Untersuchung durchgeführt. »Material matters. Internationale Studie zur Wahrnehmung von Nachhaltigkeit und Materialanforderungen im Fahrzeuginnenraum« liefert wichtige Ansatzpunkte für die Automobilindustrie, um auf aktuelle Trends und gesellschaftliche Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu reagieren und bedürfnisorientierte Designs zu entwickeln.
Verständnis von Luxus wandelt sich hin zu mehr Nachhaltigkeitsaspekten
Die Onlinebefragung wurde im Sommer 2021 mit jeweils über 1500 Teilnehmenden in den drei relevanten Automobilmärkten China, Deutschland sowie den Vereinigten Staaten Amerikas durchgeführt. Parallel zur Online-Befragung hat das Forschungsteam zielgruppenspezifische Designkonzepte entwickelt, die im September auf einer Materialwand auf der IAA Mobility 2021 in München ausgestellt und validiert wurden. Darauf zu sehen waren Material- und Farbkonzepte mit nachhaltigen und hochwertigen Materialien, die sich auf drei unterschiedliche Generationen beziehen.
Zwar werden Nachhaltigkeit und Luxus in der Bevölkerung oft als Gegensätze wahrgenommen, doch die Befragungsergebnisse zeigen, dass deren Bedeutung stark vom Alter abhängt und sich das Verständnis für Luxus langsam wandelt. So scheinen die jüngeren Generationen (Y-Z) die Attribute »nachhaltig« und »fair« stärker mit Luxus zu verbinden als die älteren. Wer die kommenden Konsumgenerationen für sich gewinnen will, muss demnach auch den Fahrzeuginnenraum im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft denken. Insgesamt werden die Materialgruppen Holz und Leder von den Befragten als am hochwertigsten wahrgenommen, während in Deutschland Holz stärker als hochwertig wahrgenommen wird, steht Leder in den USA an erster Stelle. »Im Automotive-Bereich kennt man bisher eher sehr gleichbleibende Oberflächen. Aber das braucht es künftig nicht mehr, da das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Menschen wächst, und sie dieses auch mit einer entsprechenden Farb- und Materialgestaltung in ihren Fahrzeugen zeigen wollen«, so Karin Bobka, Design- und Mobilitätsforscherin am Fraunhofer IAO.
Hinsichtlich der Preisbereitschaft für die Personalisierung spezifischer Komponenten würde das meiste Geld für die Integration smarter Flächen ausgegeben werden. Die chinesischen Teilnehmenden würde hierbei einen deutlich höheren Preis bezahlen. Die deutschen Probandinnen und Probanden würden hingegen signifikant mehr Geld für die Integration nachhaltiger Materialien ausgeben. Die Option, spezifische Komponenten im Fahrzeuginnenraum nach einer gewissen Zeit auszutauschen oder nachzurüsten, wird als am interessantesten bewertet. Insgesamt wird deutlich: Jede Generation nimmt die Materialien anders wahr – und stellt damit besondere Anforderungen an die Design- und Entwicklerteams der Fahrzeugkabinen der Zukunft. Es gilt also, nachhaltige Materialien mit einem zielgruppenspezifischen und hochwertigen Design zu kombinieren.
Anwendungsbeispiele für die Automobilindustrie
Neben dem Fraunhofer IAO sind auch die vier Mitglieder des Fraunhofer-Projektzentrums Wolfsburg am Forschungsprojekt »futureFlexPro« beteiligt – die Institute Fraunhofer IWU, IST, IFAM und WKI. Ziel des Projekts ist die Erarbeitung modularisierbarer Lösungen für nachhaltige, funktionsintegrierte Komponenten zukünftiger Fahrzeuggenerationen unter Berücksichtigung einer ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft sowie einer durchgängigen ökonomischen, ökologischen und technologischen Bewertung im Kontext von Markt- und Absatzszenarien.
Dazu werden im Projekt nachhaltige, modular einsetzbare Komponenten für zukünftige Fahrzeuggenerationen als Anwendungsbeispiele für die Automobilindustrie konzipiert und umgesetzt, die den sich verändernden Nutzungsverhalten und -bedürfnissen gerecht werden. Dabei sind unter anderem bereits Demonstratoren aus Flachsfaserverbund-Material entstanden, die eine smarte Touchfläche durch leitfähige Garne integriert haben. Damit liefert die Forschungsarbeit wichtige Ansatzpunkte für die Automobilindustrie, um auf aktuelle Trends und gesellschaftliche Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu reagieren und bedürfnisorientierte Designs zu entwickeln.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dipl.-Wi.-Ing. Sebastian Stegmüller
Leiter Forschungsbereich Mobilitäts- und Innovationssysteme
Fraunhofer IAO
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